
- Ach ja, das Künstlerleben! Glamourös und aufregend einerseits - deprimierend und kräftezehrend andererseits. Entweder rennt man dem nächsten Projekt hinterher, langweilt sich und zweifelt am Talent oder dem Universum oder man fährt nachts von einer Aufführung in Hanover zum Dreh nach München, vergisst zu essen und muss mit Bronchitis auf die Bühne. Irgendwie scheint es in den seltensten Fällen ausgeglichen zu sein.
Dabei kommen diese Zeiten in immer gleichen Wellen. Es sind Phasen, die nacheinander (und manchmal überlappend) absolviert werden wollen. Je länger ich Künstlerin bin und von, mit und für meine Kreativität lebe, desto mehr verstehe ich das. Die Angst vor dem berühmten „Loch" nach einer Premiere ist halb so wild, wenn man sich daran erinnert, dass das jedes Mal so ist. Der Dauerstress beim Drehen und das nervige Prokrastinieren vor der Deadline gehören genauso dazu wie das „frisch-verliebt-Gefühl“ und das Jucken, wenn ein neuer Auftrag herein flattert oder eine neue Rolle um die Ecke guckt.
Im Grunde lässt sich jeder kreative Prozess auf drei einfache Schritte reduzieren. Dream. Plan. Do.
Das ist das ganze Geheimnis. Mehr isses nicht. Wenn das Werk fertig ist, der Film abgedreht, der Text veröffentlicht oder die Ausstellung eröffnet, ist ein Zyklus beendet. Alles was danach kommt - wie Presse, Publikum und Preise gehen den Künstler nur rudimentär etwas an.
Die drei Schaffensphasen erlebe ich so.
- DREAM! DREAM BIG!
Alles ist möglich! Immer! Basta!
Erlaube dir kindliche Naivität, den Spaß am Rumspinnen und davon zu träumen, wie das Werk einschlagen wird! Darauf hat man zwar keinen Einfluss - aber hey - Träumen darf man! Am liebsten teile ich diese Freude mit lieben Menschen. Aber nur mit solchen, die einen wirklich groß denken lassen. In dieser Phase braucht man niemanden, der einen „auf den Teppich holt“.
2. PLAN.
Die Idee ist da. Die Details funkeln im Oberstübchen. Nur der Himmel setzt einem Grenzen. Nun geht es darum, das ganze zu realisieren. Den göttlichen Funken aus der Welt der Ideen in die Welt der Dinge zu transformieren. Wie geht das? Ich nehme mir immer ein großes Blatt Papier und schreibe alles auf, was ich mir vorher gewünscht und erträumt habe für das Projekt - damit nichts verloren geht. Am besten auch in schönen Farben und mit Smileys und Glitzerherzchen. Ernst wird es noch früh genug.
Und dann versuche ich es zu strukturieren. Zum Beispiel bei einer neuen Serienidee oder einem Theaterstück - welches ist die logische Abfolge? Pitch schreiben - Produzent finden - Exposée - Sender/Theater - Pilotbuch/Stück. Klingt doch machbar! Dann setze ich mir zeitliche Ziele. Den Pitch schaffe ich an einer Woche. Produzenten kann ich in den nächsten beiden Wochen treffen. Welche Produzenten oder Theatermacher kenne ich? Wem würde das gefallen? Dann treffe ich mich mit ein paar Leuten und finde hoffentlich weitere Infizierte, die auch Bock drauf haben. Die helfen mir beim Weiterplanen. Welche Zielgruppe? Welcher Sender? Sollte es doch in einer anderen Stadt spielen? Und dann kommen natürlich auch die Fragen nach Umsetzbarkeit, Kosten bis hin zu: wer könnte die Hauptrolle spielen? Dieser Prozess ist wie eine Ehe zwischen Dionysos und Apollo - Gefühl versus Verstand - Träume gegen Realität. Das macht nicht immer Spaß, aber durch Limitierungen und die Meinungen Anderer komme ich oft auf Ideen, die viel besser sind, als die Ursprüngliche. So wurde aus der Idee zu einer Schulkomödie zum Beispiel ein kommunistisches Hiphop-Musical namens „Klassenkampf“. ;)
3. DO! JUST DO IT! DOOOOOOOO!!!!!
Die Idee kribbelt immer noch. Alles ist geplant, ein paar Leute sind schon mit im Boot. Vielleicht gibt es schon einen konkreten Auftrag, eventuell sogar Geld. Nu mach! Einfach anfangen! Na los! Du hast doch Bock drauf! Nee, ich muss erstmal die Wäsche machen und die Steuererklärung und den Kühlschrank abtauen - ach ja, ich sollte mich auch dringend mal ausruhen. Zu viel Arbeit ist ja auch nicht gut. Vielleicht recherchiere ich noch ein bisschen und gucke eine neue Serie auf Netflix. Na komm, auf einer Staffel kann man nicht stehen! Ich guck mal lieber noch eine! Und das dauert. Ewig. Nervig. Furchtbar nervig. Ich weiß genau, dass das dazugehört und sage mir immer: es ist egal, ob ich am Computer sitze oder nicht, mein Unterbewusstsein schreibt den Text schon längst - ich weiss es nur noch nicht! Ich hab auch schon versucht, mir Etappenziele zu setzen und jeden Tag 3 Seiten zu schreiben. Aber das ist so, als würde man planen, jeden Donnerstag Sex zu haben. Das killt die Stimmung von vornherein. Das geht mit Sicherheit auch vielen so, die eine Masterarbeit schreiben, Text lernen, Flöte üben oder ins Fitnesscenter müssen. Auch wenn man nix tut, passiert was. Aufschieben ist die Ruhe vor dem Sturm. Also warte ich und warte. Und glücklicherweise hab ich bei meinen 132 Stücken, 4 Drehbüchern und einem Roman auch immer Recht behalten. Irgendwann ist es genug. Von einer Sekunde auf die Nächste. Dann ist es egal, ob ich im Zug sitze oder im Umkleideraum während der Ballettstunde meiner Tochter, ich klappe den Laptop auf und fange an zu tippen. Ich gerate in den Tunnel und schreib durch. Und von Seite zu Seite wird es leichter. Die Freude der Ursprungsidee kommt zurück. Julia Cameron in „Der Weg des Künstlers“ sagt, es geht darum, „auf die andere Seite zu kommen“, Shonda Rhimes, die Erfinderin von u.a. „Grey´s Anatomy“ nennt es „the hum“. Und das ist das beste Gefühl der Welt. Der Schaffensprozess - unglaublich befriedigend. Ich fühl mich dann als hätte ich Superkräfte. Weil ganz ehrlich, da stehen manchmal Sachen, von denen ich keine Ahnung hab, woher die kommen. Und wenn dann ein Text fertig oder ein Stück aufgeführt oder ein Projekt abgeschlossen ist, dann sollte man so lange wie möglich diesen Erfolg genießen! Denn DAS ist der Erfolg! Es ist etwas erfolgt! Man hat etwas erschaffen - aus dem Nichts. Und dann….
….geht der ganze Zirkus von vorne los! ;)